Als Caroline von Anstetten und
ihre Schwester Isabella im Frühjahr dieses Jahres das Archiv im Keller
des Schlosses Friedenau sichteten, um für Carolins projektierten Bildband
über das Schloss Material zu sammeln, fanden sie bei den alten Unterlagen
auch einen interessanten alten Schriftwechsel von August Carl Victor von
Anstetten, dem Urgrossvater von Christoph und seiner Nichte Ninhilda von
Rayenburg, die in Düsseldorf eine kleine Gaststätte bewirtschaftete
und die als Kennerin solcher Phänomene bekannt war. Dieser Briefwechsel
könnte endlich zumindestens teilweise Licht in die merkwürdigen
Ereignisse auf Schloss Friedenau bringen. Doch lesen wir selbst:
"Düsseldorf, den 12 Dezember
1895
Mein liebster Oheim,
mit diesen Zeilen an Dich möchte
ich mich auf unser Gespräch beziehen, welches wir neulich über
das erneute Auftauchen des Schlossgeistes Bartholomaeus auf Friedenau führten.
Es war schön, mit Dir so offen über metaphysische Erscheinungen,
Geisterbilder und Astralleiblichkeit zu reden. Ich kann verstehen, dass
das erneute Erscheinen Dich beunruhigt und ich würde Dir gerne helfen.
Bisher konnte ich über Bartholomaeus herausfinden, dass er, genau
wie Euer hochgeschätzter Hausarzt, anscheinend jedesmal vor dem Ableben
eines Familienmitglieds erscheint und das er einigermassen regelmässig
zur Mittsommernacht vom Erkerfenster des Ostflügels herablallt.
Das beste scheint mir zu sein, wenn
ich dem Schloss in dieser Angelegenheit einmal die Karten legen würde.
Es wäre schön, wenn Du mir dafür eine kleine Aufstellung
der unerklärlichen Ereignisse auf dem Schloss Friedenau machen würdest.
Viele liebe Grüsse
Deine Ninhilda."
"Friedenau, den 01. Januar 1896
Meine liebste Nichte Ninhilda,
gerne nehme ich Dein Angebot an,
mir in Sachen "Schlossgeist Bartholomaeus" zu helfen. Denn auf unserem
geliebten Schloss sind wir schon wieder fast am verzweifeln, nachdem sich
neulich unserer armen Tante Sophia beim Umkleiden zum Dinner zwei bleiche
Knochenhände auf ihre Schultern legten und sie daraufhin einen schrecklichen
langandauernden Weinkrampf bekam, der bewirkte, dass sie von einem fahrenden
Musikmanager sofort als Schlagersängerin engagiert wurde, und deswegen
will ich Dir gleich die fürchterlichen Ereignisse schildern, die sich
bisher auf Friedenau zutrugen.
Soweit ich das bisher feststellen
konnte, fing der Spuk auf der Wasserburg Friedenau genau 50 Jahre nach
dem tragischen Ableben von Graf Nostradamus Anselm Bartholomaeus Isidor
von Anstetten zu Düsseldorf und Colonia, also im Jahre 1271, an. Seitdem
sind die geschilderten regelmässigen Auftritte am Erkerfenster verbürgt.
Das erste wirklich tragische Ereignis
fand im Jahre 1349 statt, als der forsche Ritter Roland von Reifenstein
in durchzechter Nacht trotz eindringlichster Warnung mit dem Schlossherren
um 100 Golddukaten wettete, er würde den Geist in der nächsten
Vollmondnacht zum Kartenspiel herausfordern. Jedenfalls wurde der Ritter
nach besagter Vollmondnacht zitternd, jammernd und völlig verstört
im Kaminzimmer gefunden, hatte er doch nicht nur sein gesamtes Barvermögen
und seine kostbare Rüstung im Spiel an den Geist verloren, sondern
zudem auch noch seinen eigenen gezinkten Herzbuben verspeisen müssen
und, was das schlimmste war, er war auch nicht mehr in der Lage, seine
Wettschuld beim Schlossherren einzulösen, und musste deswegen sein
Pferd verpfänden.
Am Neujahrstag des Jahres 1422,
kurz nach dem grossen Festbankett, sah die Gesellschaft im Ostflügel
eine in ein Leichentuch gehüllte Gestalt mit schwarzem Schlapphut
und roter Feder, die sich unter unaussprechlich grausigem Stöhnen
mit einem rostigen alten Dolch 3 mal in die Kehle stach und sich daraufhin
in einen grossen schwarzen Hund verwandelte, welcher in fahlen Nebel gehüllt
auf dem Schlosshof verschwand. Um die aufgeschreckte Gesellschaft zu beruhigen,
beschloss der Graf, auch die letzten und teuersten Weine und Spirituosen
aus seinem berühmten Weinkeller auftischen zu lassen, und so ging
dieses Festbankett als eines der feucht - fröhlichsten in die Schlossgeschichte
ein.
In der Nacht zum 24. August 1572,
der sogenannten "Bartholomaeusnacht", erschien im fahlen Mondlicht ein
furchterregender Geist mit Augen wie von glühenden Kohlen, grauem,
langem, in filzigen Strähnen herunterhängendem Haupthaar, der
zuerst mit schweren, rostigen und rasselnden Ketten an den Füssen
die Schlosstreppe heraufging und dann mit einem dumpfen Stöhnen und
in schauerliches grünes Leuchten getaucht durch die Wand verschwand.
Noch in derselben Nacht sah man diese Gestalt auf dem Schlosshof mit den
eigenen Knochen ein Kegelspiel vollführen. Daraufhin wurde das damals
so beliebte Kegelspiel auf Schloss Friedenau vom Grafen verboten und als
Ersatz liess er auf Empfehlung seines englischen Neffen einen Golfplatz
einrichten.
Eine erste längere Ruhephase
trat ein, nachdem die trutzige wehrhafte mittelalterliche Wasserburg Ende
des 16. Jahrhunderts zum Schloss umgebaut wurde. Dabei fanden die Bauherren
neben einem Geheimgang auch bisher unbekannte Räumlichkeiten, die
seit Jahrhunderten nicht wirklich genutzt schienen, und ein altes Labor.
Die Räume wurden als "Geisterstuben" liebevoll renoviert und der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht, doch nachdem Bartholomaeus im Jahre 1631 in einer
Neumondnacht alleine das Friedenau belagernde Schwedenheer vertrieben hatte,
befahl der Schlossherr, den Geheimgang wieder zuzumauern und somit dem
Geist seine bescheidenes Refugium wieder zugänglich zu machen.
Im Jahre 1632 bewirkten rätselhafte
Geräusche aus der Bibliothek nicht nur, dass der Graf fortan seinen
Tee in das Arbeitszimmer serviert haben wollte, sondern es wurde im Nachhinein
auch das plötzliche Verschwinden einiger kostbarer Bücher über
Metaphysik und Geistheilung entdeckt.
In einer Spätsommernacht des
Jahres 1702 legten sich kalte, feuchte Hände auf die Stirn von der
schlafenden Gräfin und sie fühlte ein Zupfen an ihrer Bettdecke,
woraufhin die Gräfin sofort aufwachte und eine gruselige Gestalt mit
einem Seufzer im Kleiderschrank verschwinden sah. Im gleichen Moment bemerkte
sie jedoch auch, wie ein Vorhang, von einer Kerze angesteckt, lichterloh
brannte, und dank ihres beherzten Eingreifens konnte ein Übergreifen
des Feuers verhindert werden.
Bei den Vorbereitungen zu einem
Sommerfest im Jahre 1757 sahen 4 Dienstmädchen plötzlich eine
zutiefst schauerliche Gestalt durch die Vorhänge des Dienstbotenraumes
*grinsen*, so dass sie sich kreischend und hysterisch in der Küche
versteckten und dort vor Schreck und ohne wirklich nachzudenken sämtliches
für die feine Gesellschaft bestimmte Gebäck vertilgten.
Die Comtesse Isabella von Mohringen,
eine Nachfahrin der Braut Bartholomaeus´, fand während eines
Kuraufenthaltes auf Friedenau im Jahre 1799, als sie sich von einer schweren
aber erfolgreichen Operation erholen sollte, des Nachts ein im Kaminsessel
sitzendes Skelett in ihrem Tagebuch lesend, worauf sofort eine heftige
Diskussion zwischen den beiden über Redseligkeit, Ehrlichkeit und
Vertrauen unter Geschwistern entbrannte, sie von der untoten Gestalt aufs
schärfste ermahnt wurde, und selbige erst dann mit einem tiefen Seufzer
durch den brennenden Kamin entschwand, als sie gelobt hatte, ihrer Schwester
zu verzeihen und sich ab jetzt um einen eigenen Liebhaber zu kümmern.
Während eines nicht unbedingt
als überzeugend und berauschend zu bezeichnenden Klaviervortrages
meiner seeligen Tante Adelheid zu Ostern des Jahres 1849 lief plötzlich
und unter schrecklichem Getöse die alte Rüstung aus dem Rittersaal
los und stürzte sich schnurstracks auf das Klavier, welches daraufhin
zusammenbrach. Dann wehte die aus der Rüstung entsteigende Gestalt
wie ein Nebel durch die Anwesenden, löschte alle Kerzen und verschwand
mit einem dämonischen Gelächter. Vor Schreck ergraute die Perücke
von Adelheid und sie beschloss, sich fortan anderen Künsten zu widmen,
wofür fast alle dem Geist Bartholomaeus insgeheim dankbar waren, wenn
sie auch aus reiner Pietät nicht darüber redeten.
Kurz vor den Kommunalwahlen im Jahre
1871 klopfte zur Mitternacht eine leuchtende feuerrote Hand an das Fenster
des zu der Zeit als Gast auf Friedenau weilenden Gemeinde - Pastors von
Düsseldorf, der daraufhin erstmals in seinem Leben seinem stets aufs
neue zitiertem Grundsatz "Wes´ Brot ich ess, des´ Lied ich
sing" untreu wurde und sich, natürlich unter dem Siegel grösster
Verschwiegenheit, von seinen Bediensteten einen roten Wahlzettel besorgen
liess.
So, ich hoffe, ich habe Dir alle
wesentlichen unerklärlichen Ereignisse schildern können und es
ist Dir möglich, diese auch in unserem Sinne zu verwerten. Falls Du
noch Fragen dazu hast, nehme ich mir gerne Zeit und wir können nocheinmal
darüber reden.
Es grüsst Dich von Herzen
Dein Oheim August Carl Victor Graf
von Anstetten"
"Düsseldorf, den 17. Februar
1896
Mein liebster Oheim,
in der letzten Vollmondnacht konnte
ich nach ausführlichem Studium der von Dir geschilderten Ereignisse
die Karten legen und ein vorabendliches Medium befragen. Dabei hat sich
folgendes ergeben: Geist Bartholomaeus war / ist eigentlich ein zutiefst
gutmütiges Wesen. Allerdings wurde ihm aufgrund der Schwere seiner
Schuld und des auf ihm lastenden Fluches von den Mächten der Unterwelt
auferlegt, wenigstens ab und zu einmal sein grausliches Unwesen auf dem
Schloss seiner Ahnen zu treiben. Aber er hat versprochen, dies in Zukunft
möglichst dezent und versteckt zu tun, und seine Aktivitäten
auf den Ostflügel zu beschränken. Er berichtete aber auch, dass
eine alte Weissagung voraussieht, dass zur nächsten Jahrtausendwende
das Schloss oft in grellem Licht erscheinen würde, um das Leben der
Bewohner auf Zelluloid zu bannen. Und er hat dereinst im Schlosspark unter
der heiligen alten Eiche den Eid geleistet, das er es nicht zulassen würde,
dass die von dieser seiner gräflichen Familie angefertigten Bilder
und Filme von niederen Motiven und niederer Qualität seien. Dann würde
sein Zorn die gesamte auf dem Schloss verweilende Filmproduktion treffen
und er würde alleInnen *vergruseln* !
Viele liebe Grüsse
Deine Nichte Ninhilda"
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