Denn plötzlich, es mag so
gegen 24 Uhr gewesen sein, verdunkelte sich der Mond und mit einem gewaltigen
Donnerschlag erloschen alle Kerzen und das Grillfeuer. Dann wurde es taghell
von einem Wetterleuchten, und sofort wieder dunkel. Der Schlossgraben leuchtete
grünlich auf und liess die Zierfische in teuflischem Rot erscheinen.
Die Gesellschaft erstarrte, Beatrice
und Martin wurden kreidebleich, sie ahnten, das hier etwas nicht wirklich
mit rechten Dingen zugehen mochte. Nur die kleine Franziska fand das Geschehen
echt cool.
Die meisten Gäste mochten sich
nicht mehr im Freien aufhalten, und so ging man in den barock geschmückten
Festsaal im Haus. Christiane und Danja servierten allen Gästen Tee
und Schampus auf den Schrecken, und alsbald löste sich die Gesellschaft
auf, und die Gäste liessen sich nach Hause fahren.
Nun standen Beatrice und Martin
alleine in der Eingangshalle, und Beatrice schaute etwas verloren in den
grossen alten Spiegel, eines der wenigen Möbelstücke, welches
nicht aus ihrer Hamburger Residenz mit umgezogen ist, sondern welches schon
seit Generationen hier auf Gut Schönberg hängt. Martin ging in
die Küche um noch einen kleinen Nachttrunk zu holen, Beatrice war
alleine
Doch als Beatrice etwas länger
in den Spiegel geschaut hatte, sah sie hinter sich eine schaurige Gestalt
durch die Eingangstür kommen, einen alten Mann mit slohweissen Haaren
und bleichem Gesicht, der sie mit bohrendem Blick anschaute. Sie erstarrte,
war gefesselt von dem Anblick und es dauerte einige Zeit bevor sie den
Mut fand, sich langsam umzudrehen. Doch als sie sich umgedreht hatte, war
die Gestalt weg. Schnell drehte sie sich wieder um und schaute in den Spiegel.
Jetzt sah sie, wie die grausige Gestalt in langsamen, schweren Schritten
auf sie zuging. Ihr Herz blieb fast stehen, und nur unter äußerster
Anstrengung gelang es ihr, sich ein weiteres Mal umzudrehen. Und auch diesmal
sah sie die Gestalt nicht.
Doch als sie wieder in den Spiegel
schaute, war ihr die Gestalt schon bedenklich nahe gekommen. Eine grausame
Angst überfiel Beatrice, als der alte Mann dann seinen rechten Arm
erhob und seine Knochenhand nach ihr ausstreckte. Feurig - glühend
wie die Kohlen im Kamin leuchteten seine Augen aus der Tiefe seines fast
fleischlosen Schädels und ein grausames Lachen erfüllte den Raum.
HUUUUHAAAAHAAAA
Wo bleibt nur Martin, warum kommt
er nicht zurück ? Warum hört Martin den alten Mann nicht lachen
? Beatrice stand alleine vor dem Spiegel, in der grossen Eingangshalle,
sie fühlte, wie alleine sie wirklich war, nur die Gestalt im Spiegel
war noch da und auch wieder nicht da, denn sie war ja nur im Spiegel. Bedrohlich
streckte er immer noch die Hand aus und sein Lachen wollte nicht aufhören
!
"Ich will noch nicht sterben, bin
doch noch so jung. Ich will noch leben" dachte Beatrice und packte mit
letzter Kraft einen großen Kerzenleuchter und schleuderte ihn in
den Spiegel. Mit einem kreischenden Klirren zersprang das Glas in tausend
Scherben und auf jeder der Scherben sah Beatrice das Bild dieses alten
Mannen, und jede Scherbe schien zu lachen, so laut zu lachen, das es den
Kopf von Beatrice auseinanderzureissen drohte.
Doch dann war es still. Beatrice
stand in der Eingangshalle vor dem leeren Rahmen des Spiegels, hatte beide
Hände an ihren Kopf gepresst und starrte wie in Trance in den Raum.
Auf dem Boden lagen die Scherben, und der Spuk schien ein Ende zu haben.
In diesem Moment kam Martin aus der Küche zurück und blickte
ein wenig fassungslos auf seine Beatrice. "Mochtest Du den Spiegel nicht
leiden ?" fragte er sie. "Nicht wirklich" war ihre Antwort, ihre Stimmen
zitterte noch etwas. Doch sie konnte und wollte Martin nicht erzählen,
was sie eben erlebt hat, er, der nüchterne Geschäftsmann, würde
ihr sowieso nicht glauben.
Inzwischen war auch Christiane von
dem Klirren im Flur aufgewacht, sie machte sich sofort daran, die Scherben
aufzufegen und zu entsorgen. Felix und Franziska eilten auch noch herbei
und standen ratlos oben auf der Treppe.
"Meine Lieben, lasst uns doch endlich
schlafen gehen" sagte Martin und nahm seine Beatrice liebevoll an die Hand.
Sie nahm ihn ganz fest in den Arm und dann gingen sie ins Schlafzimmer,
doch es wurde eine unruhige Nacht für Beatrice. Immer wieder sah sie
im Traum die Gestalt auf sie zukommen und seinie bleiche, fleischlose Hand
nach ihr ausstrecken. Bis sie am Morgen endlich eingeschlafen war.
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Der Sonntag Morgen präsentierte
sich denen auf Gut Schönberg als ausgesprochen schöner und sonniger
Morgen. Ein lauer Wind brachte Frühlingsduft, und Christiane und Danja
hatten das Frühstücksbüffet auf der Terrasse neben dem Garten
angerichtet. Die Familie von Beyenbach saß in der Sonne und unterhielt
sich beim Essen lebhaft, nur Beatrice war noch etwas balß und entgegen
ihrer Art sehr schweigsam.
"Schön, das Sie den Spiegel
heute morgen schon haben reparierten lassen, Christiane" meinte Martin,
Christiane nickte und senkte fast unmerklich ihren Blick zum Boden. Denn
sie hatte den Spiegel nicht reparieren lassen, niemand hatte den Spiegel
repariert, er war von alleine wieder ganz geworden und auch die Scherben,
die Christiane in den Abfall geworfen hatte, waren dort nicht mehr zu finden.
Christiane nickte und schwieg, denn sie ahnte, sie wusste, das es nur eine
Erklärung geben konnte für die nächtlichen Ereignisse. Sie
und die von Beyenbach hatten es mit einem alten Bekannten zu tun, es war
ihr nur zu klar, das Bartholomaeus von Anstetten seit gestern Nacht auf
Gut Schönberg wohnte, und irgendwann würden auch die von Beyenbachs
dieses schreckliche Geheimnis erfahren ... |